2024 / Rathaus / 1. Preis

nicht offener realisierungswettbewerb

 

rathaus Schömberg

Das neue Rathaus soll sich in die Altstadt einfügen und diese bereichern. Wir schlagen eine kontextuelle Architektur vor, die ihr architektonisches Regelwerk aus den besonderen Qualitäten des Ortes generiert. Der Ersatzneubau soll sich städtebaulich einfügen, die Geschichte der Stadt weiterschreiben, aber auch einen eigenständigen architektonischen Ausdruck finden, die der Stadt Schömberg ein „zeitgemäßes Gesicht“ gibt und für die Nutzung eines zukunftsorientierten Rathauses angemessen ist. Prägendes Element der Schömberger Altstadt sind die verbindenden Traufgassen, dessen Besonderheit wir in unserem Vorschlag aufgreifen und durch die zentrale Rathausgasse fortführen. Die zentrale Schnittstelle der Rathausgasse wird als Kommunikationsraum gedacht. Die Verbindung soll nicht ausschließlich als Durchwegung, sondern als öffentlicher und lebendiger Raum verstanden werden, an dem die bürgernahen Funktionen des Rathauses verortet sind.

Städtebaulicher Leitgedanke

Das städtebauliche Konzept sieht einen neuen Stadtbaustein vor, der sich in Maßstäblichkeit und Kubatur an den Bestand anlehnt und diesen zeitgemäß interpretiert. Schömberg wird durch eine Vielzahl von Plätzen und Gassen geprägt, die im Laufe der Geschichte, je nach Macht- und Herrschaftsstrukturen sowie Nutzungsnotwendigkeit ihre Bedeutungen und Bezeichnungen immer wieder verändert haben. Die städtebauliche Setzung des neuen Rathauses sowie die Gestaltung der Außenräume werden aus dieser Historie des Ortes und aus der daraus resultierenden Hierarchie der städtischen Außenräume entwickelt.
Mit dem Gebäuderücksprung soll die reiche Vorgeschichte Schömbergs thematisiert werden. 

Es entsteht ein angemessener Rathausplatz, der als attraktiver städtischer Raum mit einer hohen Aufenthaltsqualität für alle Schömberger BürgerInnen geschaffen wird. Ziel ist die Aufwertung der stadträumlichen Situation und die gewünschte Präsenz des Rathauses im Stadtraum. Aus diesem Grund schlagen wir vor, die Maßstäblichkeit und Typologie der mittelalterlichen Stadt Schömberg fortzuführen und nicht mittels eines zu großen Solitärs zu brechen. Der neue Stadtbaustein fügt sich sensibel ein und respektiert die örtlichen Gegebenheiten bzw. setzt diese fort. Das neue Rathaus soll sich wie selbstverständlich mit der Morphologie der Stadt Schömberg verweben und dennoch seine besondere Stellung kenntlich machen. Der Ausbildung des städtischen Freiraums, dessen Maßstäblichkeit, Verknüpfung, Nutzung und Öffentlichkeit bzw. Privatheit kommt eine ebenso große Bedeutung zu.

erschließung und organisation

Das neue Rathaus öffnet sich erdgeschossig bürgerfreundlich nach außen und ermöglicht den gewünschten barrierefreien Zugang an der Rathausgasse. Das neue Rathaus soll so ein Ort für die Bürger von Schömberg sein, die mit ihren Anliegen offen und einladend in den Räumlichkeiten empfangen werden. Folgerichtig wird der Haupteingang des Rathauses an den neu gestalteten Rathausplatzes angeordnet.
Ein einladendes Foyer öffnet sich auf den Platz und empfängt die Bürger niederschwellig in die Bürgerbüros. Die gewünschte übersichtliche und funktionale Erschließungsstruktur wird über die beiden Treppenkerne gewährleistet.

Gleichzeitig erfüllen diese die Funktionen der baurechtlich notwendigen Fluchtwege. Die unabhängige Nutzung des künftigen Sitzungssaals sowie die barrierefreie Erschließung aller Ebenen wird aus dem Foyer heraus sichergestellt.
Die Verwaltungsflächen im neuen Rathaus sind in den ersten beiden Obergeschossen verortet und wie gewünscht, zu Beginn als Einzelbüros gegliedert. Die vorgesehene Holzskelettstruktur ermöglicht ein in Zukunft flexibles Gebäudesystem und kann z.B. „offenes Arbeiten“ abbilden. Der Sitzungssaal soll überwiegend für Gemeinderatssitzungen genutzt werden, ist wie gewünscht im dritten Obergeschoss verortet und über den Foyerbereich für vielfältige kommunale Nutzungsoptionen bespielbar. Das Trauzimmer kann zudem die gemeinsame Dachterrasse nutzen.

klimagerechte architektur

Der Rathausneubau soll ein Referenzprojekt für nachhaltiges, klima- und kreislaufgerechtes Bauen werden. Das Rathaus und die Freianlagen werden ressourcenschonend aus natürlichen Rohstoffen und teilweise aus wiederverwendeten und/oder -verwerteten Baumaterialien konstruiert. Die zusätzliche Verwendung von Naturbaustoffen schafft eine gute und gesundheitsfördernde Atmosphäre für alle NutzerInnen.

Es wird mit reversiblen Verbindungen und rezyklierbar konstruiert. Spätere Optionen zur Nachnutzung und Weiterverwendung werden mitgedacht – das Gebäude ist als Holzskelettbau konstruktiv, aber auch räumlich so konzipiert, dass es im Laufe möglicher Nutzungszyklen an neue Anforderungen und Wünsche angepasst, umgebaut und ergänzt werden kann – Veränderung und Aneignung durch und mit den NutzerInnen sind ausdrücklich erwünscht. Für einen späteren Rückbau sind die Konstruktionen reversibel gefügt und sortenrein trennbar. Bauteile und Materialien können zum Ende eines Nutzungszyklus einzeln zerlegt und wieder dem Kreislauf zugeführt werden, sodass diese an anderer Stelle eine neue Nutzung erfahren dürfen.

Nachhaltigkeit und Energiekonzept

Die technische Aufrüstung zu „intelligenten Gebäuden“ und das Übermaß oftmals ökologisch fragwürdiger Dämmmaterialien führen nicht zu langlebigen und energetisch nachhaltigen Bauten. Eine dem Klimawandel gerecht werdende Architektur nutzt und reguliert mit typologischen, konstruktiven und thermischen Strukturen die jeweiligen klimatischen Bedingungen seiner Nutzer.
Dem Nachhaltigkeitsanspruch soll mit der beschriebenen Konstruktion der expliziten Langlebigkeit einer zeitlosen, vertrauten, natürlichen und robusten Materialität begegnet werden. Hochwertig ökologisch zertifizierte und solide Materialien in einfacher mechanischer und manueller Ausführung gewähren die Nachhaltigkeit und wirken sich damit ebenfalls günstig auf die künftigen Betriebs- und Unterhaltskosten aus.

Die Dachfläche wird als solares Klimadach geplant und ermöglicht eine flexible Bespielung durch Solarziegel, die zu einer positiven Energiebilanz führt. Mittels der Decken als Speichermasse und einer natürlichen Nachtauskühlung ist der thermische Komfort auch im Sommer garantiert. Die Einfachheit und Klarheit der Struktur erlaubt eine Kombination von mechanischer und natürlicher Belüftung. Das übergeordnete Ziel des Energie- und Nachhaltigkeitskonzeptes ist ein hochleistungsfähiges Gebäude mit maximaler natürlicher Belüftung sowie optimiertem Innenkomfort und geringem Energieverbrauch.

Reversibilität und Nachhaltigkeit des Tragwerks

Die Verbindung der Decken-, Balken- und Stützenelemente erfolgt im Steckkastenprinzip. Durch das Auflegen der Bauteile wird die Anzahl der Verbindungsmittel aus Stahl reduziert. Darüber hinaus lassen sich diese Verbindungen bei einem möglichen Rückbau durch wenig Aufwand wieder aufteilen, um die Bauteile zu trennen.

Auf schlecht wieder zu trennende Verbundbaustoffe wird weitgehend verzichtet, so wird z.B. von einer primärenergieintensiven Dämmung unterhalb der Bodenplatte abgesehen. Zudem kann die Holz-Lehm -Verbund Decke einfach demontiert und komplett in ihre Einzelteile zerlegt und danach der Wiederverwendung zugeführt werden. Die Deckenkonstruktion emittiert 80% weniger Treibhausgasemissionen als vergleichbare Stahlbetonkonstruktionen.

pfeiffer.volland.michel.architekten gmbh
Martinstraße 10-12
52062 Aachen

Dipl.-Ing. Alexander Pfeiffer Architekt BDA 
Dipl.-Ing. Felix Volland Architekt 
Benjamin Michel M.A. BDA Architekt